Wie du Motivation und Musizierfreude liebevoll fördern kannst
Wenn dein Kind Freude am Instrument hat, aber zu Hause nicht üben will
Liebe Eltern,
ihr kennt das bestimmt: Euer Kind kommt begeistert aus dem Musikunterricht, erzählt voller Freude von neuen Stücken. Doch zu Hause will es das Instrument kaum anrühren.
Wenn es ans Üben gehen soll, ist plötzlich jede Motivation verschwunden? Damit seid ihr nicht allein. Dieses Phänomen ist in fast allen Familien bekannt, in denen ein Instrument gelernt wird.
Die gute Nachricht: Motivation ist keine feste Eigenschaft, sondern etwas, das sich entwickeln, fördern und stärken lässt. Studien zeigen, dass etwa die Hälfte der Motivation von äusseren Faktoren wie der Umgebung, den Bezugspersonen und der persönlichen Erfahrung abhängt. Eltern haben also einen grossen Einfluss darauf, wie Kinder Musizieren erleben. Nicht durch Druck, sondern durch Unterstützung, Struktur und emotionale Begleitung.
Verstehen, warum dein Kind zu Hause nicht üben möchte
Zuerst lohnt sich ein genauer Blick auf die Ursachen. Die Gründe, warum Kinder ungern üben, sind vielfältig:
- Das Umfeld stimmt nicht: zu laut, zu viel Ablenkung, zu wenig Struktur.
- Das Üben fühlt sich anstrengend an: Im Unterricht wird gemeinsam musiziert, zu Hause muss das Kind allein Verantwortung übernehmen.
- Überforderung oder Unsicherheit: Das Kind weiss nicht genau, wie es üben soll oder was das Ziel der Aufgabe ist.
- Zu wenig Erfolgserlebnisse: Wenn Fortschritte kaum bemerkt oder gewürdigt werden, sinkt die Motivation schnell.
Wichtig ist: Kein Kind ist immer gleich motiviert. Wie bei uns Erwachsenen gibt es gute und schlechte Tage. Entscheidend ist, dass du das Verhalten deines Kindes nicht als „Faulheit“ wertest, sondern als Signal verstehst: Hier braucht es Unterstützung, Orientierung oder ein bisschen Ermutigung.
Vom Üben zum Musizieren
Kinder sind neugierig. Wenn sie verstehen, warum etwas wichtig ist, und wenn sie merken, dass sie Fortschritte machen, bleiben sie eher dran. Es hilft, wenn das Üben zu Hause nicht als lästige Pflicht, sondern als Teil des Musizierens erlebt wird.
So kannst du unterstützen:
- Schaffe eine angenehme Atmosphäre: Ein fester, heller Platz fürs Musizieren ohne Ablenkung hilft enorm.
- Finde den richtigen Zeitpunkt: Manche Kinder üben gern gleich nach der Schule, andere erst nach einer Pause. Beobachte, wann dein Kind aufnahmebereit ist.
- Übungseinheiten kurz halten: lieber öfter fünf bis zehn Minuten als einmal eine halbe Stunde. So bleibt die Konzentration erhalten.
- Kleine Ziele setzen: „Heute spiele ich die erste Zeile schön fliessend“ ist greifbarer als „Ich muss das ganze Stück können“.
- Freude betonen statt Leistung: Erinnere dein Kind daran, wie schön es klingt, wenn eine Melodie gelingt – nicht nur daran, dass sie „richtig“ sein muss.
Verantwortung übergeben ohne Druck
Maria Montessori brachte es auf den Punkt: „Hilf mir, es selbst zu tun.“
Das gilt auch beim Üben. Kinder brauchen Unterstützung, aber keine Kontrolle. Wenn du alles vorgibst, verliert dein Kind das Gefühl, selbst etwas zu schaffen.
Versuche stattdessen:
- Nachzufragen: „Wie möchtest du heute anfangen?“
- Interesse zu zeigen: „Was hast du heute im Unterricht gelernt?“
- Dein Kind selbst Entscheidungen treffen zu lassen: Wann, was oder mit welchem Stück es beginnt.
Kinder, die Mitspracherecht haben, entwickeln mehr Eigenverantwortung und Motivation.
Routinen statt Machtkämpfe
Regelmässigkeit hilft mehr als jede Belohnung oder Drohung. Wenn das Üben Teil des Alltags wird, ähnlich wie Zähneputzen oder Abendessen, entstehen weniger Diskussionen.
Tipps für eine gute Übe-Routine:
- Einen festen Zeitrahmen festlegen (z. B. immer nach dem Zvieri oder vor dem Abendessen).
- Eine kurze „Start-Routine“ schaffen, z. B. Instrument auspacken, stimmen, Lieblingsstück spielen.
- Nach dem Üben gemeinsam zuhören oder etwas Kleines vorspielen lassen. Nicht als Kontrolle, sondern als Wertschätzung.
Motivation durch Beziehung, nicht durch Belohnung
Lob, Schokolade oder Sticker mögen kurzfristig wirken, aber sie fördern keine innere Motivation. Viel wirkungsvoller ist ehrliches Interesse und emotionale Nähe. Kinder wollen sich gesehen fühlen, nicht nur, wenn sie etwas „gut“ machen.
Sage zum Beispiel:
- „Ich finde es schön, wie du dranbleibst, auch wenn’s schwierig ist.“
- „Das klingt heute schon viel runder – hörst du das auch?“
- „Ich sehe, dass du dir Mühe gibst, das ist toll.“
Solche Rückmeldungen stärken das Selbstvertrauen und die Ausdauer, zwei der wichtigsten Grundlagen fürs Musizieren.
Fehler sind Freunde, nicht Feinde
Beim Musizieren gehören Fehler dazu. Sie sind Teil des Lernprozesses. Wenn Kinder lernen, Fehler als normale Schritte auf dem Weg zu sehen, verlieren sie die Angst davor und trauen sich mehr.
Du kannst dein Kind unterstützen, indem du offen damit umgehst: „Ich habe früher beim Üben auch oft denselben Fehler gemacht und irgendwann hat’s plötzlich geklappt.“ So lernt dein Kind, dass Ausdauer wichtiger ist als Perfektion.
Der Weg ist das Ziel
Musiklernen ist kein Wettlauf. Es geht nicht darum, möglichst schnell ein Stück zu beherrschen, sondern darum, sich mit Freude, Neugier und Geduld zu entwickeln. Wenn du diesen Gedanken vorlebst, wird dein Kind ihn übernehmen.
Mach dir bewusst:
Dein Kind lernt beim Üben nicht nur Musik, sondern auch Konzentration, Selbstständigkeit und Durchhaltevermögen. Das sind Fähigkeiten, die es ein Leben lang begleiten werden.
Fazit
Wenn dein Kind Freude am Unterricht hat, ist das ein wunderbarer Anfang. Dass zu Hause die Lust manchmal fehlt, ist völlig normal. Wichtig ist, dass du das Üben nicht als Pflicht, sondern als gemeinsamen Prozess siehst. Schaffe kleine Rituale, zeige Interesse, gib Verantwortung ab und halte die Freude an der Musik lebendig.
Denn Kinder, die Musik mit positiven Gefühlen verbinden, bleiben langfristig motiviert, nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen.
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